Dienstag, 21. Dezember 2004

Howard Rheingold - Trends, Smart Mobs

Howard Rheingold hat mich zuerst einmal dadurch begeistert dass er seine Schuhe selber bemalt und zusammen mit Stephen LaBerge das Buch Exploring the World of Lucid Dreaming (1990) geschrieben hat. Lucides Träumen ist schon länger ein Thema das mich interessiert und LaBerge, als eine der Kapazitäten auf diesem Gebiet, ist auf jeden Fall eine Reinschmökern wert.

Rheingold schreibt in seinem Buch Smart Mobs: The Next Social Revolution (2001) über die sogenannten Smart Mobs, die laut ihm entstehen wenn technologische Errungenschaften menschliche Talente und Kooperationen unterstützen. Beispiele dafür sind Open Source Software, die Online-Enzyklopedie Wikipedia.org, das Amazon User-Rating-System, Weblog-Communities, wie z.B. sms-gestützte Aktionen (Demonstrationen, etc.), die laut Rheingold dazu führen können, dass sich der Markt und sein Interaktionspiel drastisch verändern können. Nicht gerne gesehen wird diese Entwicklung von den alteingessesenen Big-Players am Markt, die ihre Felle davonschwimmen sehen und versuchen gegenzusteuern (siehe die vehementen Sanktionen und die Welle der Prozesse gegen Peer-to-Peer File-Sharing-Netzwerke über die hauptsächlich raubkopierte MP3s und Filme ihre Verteilung finden). Ob dieses Gegensteuern die rasante Entwicklung und die immer schneller auftauchenden Alternativen zum Mega-Konzern-Kapitalismus aufhalten kann ist fraglich. Die zeigt sich meiner Meinung nach deutlich an den von Rheingold als Beispiel herangezogenen Open-Source-Projekten und der Enzyklopedie wikipedia.org. Letztere beinhaltet laut einem Rheingold Interview beo vergleichsweise verschwindend geringem Kostenaufwand schon über 500.000 Artikeln, während die Encyclopedia Britannica mit einem millionenschweren Budget gerade mal auf 50.000 Artikel kommt.

Rheingold meint in dem Interview weiters, dass das sich das entscheidende Gefälle von Haben oder Nicht-Haben in Richtung Wissen oder Nicht-Wissen verschieben wird. Und zwar Wissen darum wie man über Technologien Zugang zum "Weltwissen" bekommt. Meiner Meinung nach greift dieser Gedanke doch etwas zu kurz, da der von Rheingold als Beispiel hergenommene indische kleine Junge doch etwas mehr braucht als ein Telefonanschluss um an das Wissen von solchen Netzwerken zu kommen: z.B. Zugang zu einem Computer, Wissen um die Benutzung desselben, grundlegende Kenntnisse der englischen Sprache, etc. Und diese Faktoren hängen immer noch vom sozialen und vor allem auch vom wirtschaftlichen Status ab.

Trotz dieser Kritik sind die Trends und Entwicklungen die Rheingold aufzeigt nicht von der Hand zu weisen und werden ihre entscheidenden Einflüsse haben. Es ist auch zu einfach: Wenn etwas nicht nur gut funktioniert, schnell und gut upgedatet wird, von überall auf der Welt erreichbar ist, demokratisch funktioniert und jedem Rechte und Verantwortung zubilligt und dabei auch noch kostenlos ist (wie eben das Bsp. Wikipedia), wird das sicher mehr und mehr eine ernstzunehmende Konkurrenz zu den alteingessesenen Unternehmen auf dem Markt.

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TomK32 - 21. Dez, 20:13

Hallo,
Eins vorweg, ich bin Admin in der deutschsprachigen Wikipedia.

Die zeigt sich meiner Meinung nach deutlich an den von Rheingold als Beispiel herangezogenen Open-Source-Projekten und der Enzyklopedie wikipedia.org. Letztere beinhaltet laut einem Rheingold Interview beo vergleichsweise verschwindend geringem Kostenaufwand schon über 500.000 Artikeln, während die Encyclopedia Britannica mit einem millionenschweren Budget gerade mal auf 50.000 Artikel kommt.
ein stümperhafter Vergleich. Erstens hat die Britannica mehr als nur 50.000, es kommt aber wie auch bei der Wikipedia darauf an was man als Artikel zählt.
Zweitens sind es in der en-wikipedia noch gar nicht 500.000 und von denen darf man auch nur die Hälfte zählen (Jahreszahlen, Daten, Listen und zu kurze Artikel machen viel aus). Reihngold meint im Interview (August) 500.000 in allen Sprachen der Wikipedia was auch unfair ist für einen Vergleich mit Britannica.

Einer meiner Informatik-Profs ist der festen Auffassung dass technischer Fortschritt in Demokratien am besten gedeiht, und das gilt für die Wikipedia sehr stark. Aber eine Konkurrenz für Unternehmen werden wir nicht, mehr für deren bisherigen Inhalte. Die Unternehmen dürfen ja unsere Inhalte verwenden und werden diese in Zukunft vielleicht in erweiterter und verbesserter Form anbieten. Vielleicht sogar in Kombination mit Inhalten die für die Wikipedia lizenzrechtlich unerreichbar sind.

anando - 25. Dez, 17:49

hey TomK32,
Zuerst mal danke für das Kommentar. Freut mich, dass du deinen Weg in mein junges Blog gefunden hat. Zudem war es auch mal eine Anregung für mich, die Zahlen endlich selber zu recherchieren.

So bin ich bei den offiziellen Statistiken von wikipedia.org für die englische Seite auf 427.000 Artikel und bei der deutschen Version auf 179.000 Artikel gestoßen (Stand Dez. 2004). Auf der offiziellen Homepage von der Encyclopedia Britannica gibts verschiedene Sets zu kaufen, die zwischen 73.000 und 100.000 Artikeln beinhalten.

Du hast natürlich recht, dass wahrscheinlich nicht alle Artikel die in der Wikipedia-Statistik als solche gerechnet werden, bei genauer Prüfung auch als solche durchgehen werden.
Und trotzdem ist der durchaus ganz stümperhafte und nicht alle Faktoren berücksichtigende Zahlenvergleich (selbst wenn man nur die Hälfte der Wiki-Artikel zählt) ganz beeindruckend.

Zum Konkurrenz-Thema: Von einem marktwirtschaftlichen, umsatzorientierten Konkurrenz-Begriff ausgehend, wird Wikipedia schon per Definition keine Konkurrenz bilden können/wollen. Für mich als Wissenssuchender ist Wikipedia aber jetzt schon eine Konkurrenz (oder vielleicht besser gesagt ein ziemlich gute Alternative) zu den normal käuflich erhältlichen Enzyklopedien, da es mit Internetanschluss schnell und einfach zu erreichen ist, durch seine Verlink-Struktur (vor allem auch auf viele externe Seiten) einen potentiell noch breiteren Background bietet und vor allem, weil es gratis zu benutzen ist und zum aktiven mitmachen einlädt. Und gerade darin sehe ich einen großen Vorteil - Die Rolle des Benutzers wird anders definiert und kann sich vom bloßen Konsument zu einem teilhabenden, kreierenden User verändern.

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